Tochter besucht Absturzstelle des Vaters nach 77 Jahren in Plantlünne

Artikel vom 21. September 2018 Vermisste und Opfer von Kriegen beschäftigen oft noch spätere Generationen. So auch bei May Wady, die jetzt gemeinsam mit ihrem Mann Michael Farris aus Kanada nach Lünne gereist ist, um nahe des ehemaligen Flugplatzes Plantlünne die Stelle zu besuchen, an der ihr Vater Thomas E. Wady mit einem Bomber der britischen Royal Air Force im Mai 1941 abgestürzt ist.

Ewald Ester (Anwohner der Unglückstelle), Joachim Eickhoff (Vermisstensuchgruppe Ikarus), Petra und Ludger Angenendt, Michael Farris und May Wady (Angehörige), Maria Bunge (Vorsitzende Heimatverein Lünne) und Bürgermeisterin Magdalena Wilmes besuchen gemeinsam die Stelle des Flugzeugabsturzes in Plantlünne/Brümsel, an der Thomas E. Wady 1941 überlebt hat.

Lünne – Das Bomberflugzeug Typ Vickers Wellington MK Ic war in der Nacht vom 08. auf den 09. Mai 1941 mit Sechs-Mann-Besatzung von einem Bombenangriff auf Bremen auf den Rückflug nach Syerston/Nottinghamshire in England. Bereits in Bremen wurden während eines Angriffes zwei Besatzungsmitglieder getötet. Gegen 02.45 Uhr wurde das Flugzeug dann nahe des Flugplatzes Plantlünne durch Flak und Nachtjäger abgeschossen, alle Besatzungsmitglieder kamen beim Absturz zu Tode, mit Ausnahme von Flight Sergeant Thomas E. Wady. Der damals 33-Jährige konnte mit einem Fallschirm abspringen, zog sich einen Steißbeinbruch zu, aber überlebte als einziger. „Ein nahegelegener Landwirt kam meinem Vater, der blutverschmiert und unter Schock stehend war, nach dem Absturz zu Hilfe, hat ihn mitgenommen nach Hause, ihn gewaschen und versorgt“, berichtete Tochter May Wady bei einem Besuch an der Unglücksstelle. Der Name dieses Landwirtes sei leider nicht überliefert – sicher auch, weil jenem damals bei Bekanntwerden dieser Hilfsaktion schlimme Sanktionen durch die deutsche Polizei erwartet hätte. Bereits 2011 sei May Wady mit ihrem Mann in Lünne gewesen, um die Absturzstelle aufzusuchen, seien aber nicht fündig geworden. Licht ins Dunkel bringen konnte dann schließlich Joachim Eickhoff, Heimatforscher und Gründer der Vermisstensuchgruppe Ikarus aus Bramsche. Seit Jahrzehnten erforscht der Historiker insbesondere den Luftkrieg des Zweiten Weltkrieges in der Region. Auf der Homepage der Organisation „aircrew remembered“, die sich ebenfalls mit der Suche nach Überlebenden, Opfern und Vermissten im Krieg befasst, ist Eickhoff – wie der Zufall es will, auf diesen Flugzeugabsturz aufmerksam geworden. Die genaue Unglücksstelle sei dort jedoch nicht bekannt gewesen und nur vage vermutet worden. „Um das Rätsel zu lösen, habe ich eine E-Mail hingeschickt mit dem einzigen Inhalt ‚I know‘ (zu Deutsch: Ich kenne [die Absturzstelle]“, berichtet Eickhoff mit einem Lachen von der Recherche. Daraufhin sei mit der Gruppe „aircrew remembered“ ein intensiver Austausch entstanden, um die damaligen Ereignisse zu rekapitulieren. Inzwischen sind mehrere Kontakte mit Hinterbliebenen der Besatzung entstanden, so auch mit der Familie Wady aus Winnipeg in Kanada. Daraufhin hat sich Tochter May Wady mit ihrem Mann erneut auf den Weg nach Lünne gemacht, untergebracht in der Ferienwohnung der Familie Angenendt am Lünner See. Wie die Tochter des verunglückten Soldaten vor Ort erklärt, sei ihr Vater einen Tag nach dem Absturz in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten, zuletzt im Kriegsgefangenenlager Fallingbostel. Kurz vor Kriegsende wurde Thomas E. Wady befreit und hat sich zunächst in England niedergelassen, um weiter in der Royal Air Force zu dienen. Nach der Dienstzeit ging er dann zurück in seine Heimat Kanada, um dort in seinem Zivilberuf als Forstwirt zu arbeiten. 1953 folgte die Hochzeit und schließlich die Familiengründung. Schließlich ist Wady im Jahr 1991 im Alter von 83 Jahren verstorben. „Dank der intensiven Forschungsarbeit von Joachim Eickhoff konnten schon viele Ereignisse rund um den ehemaligen Flugplatz Plantlünne aufgearbeitet werden. Mit seiner Hilfe konnte auch jetzt wieder ein konkretes Einzelschicksal aufgedeckt und der Familie die Möglichkeit gegeben werden, die Unglücksstelle aufzusuchen“, unterstrich Maria Bunge, Vorsitzende des Lünner Heimatvereins. Bürgermeisterin Magdalena Wilmes nahm den Besuch zum Anlass, um vor den Schrecken von Krieg und Gewalt zu warnen: „Kriege, die oftmals durch Hass und Rassismus entstehen, sorgen für unsägliches Leid in den Familien. Es ist die wichtige Aufgabe eines jeden Einzelnen, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder geschieht und wir in Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie leben können.“

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