Vor 40 Jahren ist am 25. August 1977 im emsländischen Thuine ein Kampfjet der United States Air Force (USAF) abgestürzt. Die beiden Besatzungsmitglieder kamen dabei ums Leben. Sie haben nicht die Schleudersitze betätigt und sind im letzten Moment über den Ortskern hinweg geflogen. Die „Mc Donnell Douglas Phantom“ explodierte 900 Meter entfernt über einer Ackerfläche und wurde in ihre Bestandteile zerrissen.
Thuine. Bei dem Absturz einer McDonnell-Douglas RF-4C Phantom II (66-0424) der United States Air Force (USAF) am Donnerstag, 25. August 1977, um 11.44 Uhr wurden Pilot Captain Ken Seder und Waffensystemoffizier First Lieutenant Alan Frederick Aertker (beide 25 Jahre) getötet. Die Maschine der 10th Tactical Reconnaissance Wing der USAF war auf dem britischen Fliegerhorst „Alconbury“ in Huntingdonshire, Distrikt Grafschaft Cambridgeshire, im Osten Englands beheimatete. Ein Gedenkstein an der Mühlenstraße erinnert an die beiden USAF-Angehörigen. Zivilisten waren bei dem Unglück nicht verletzt worden.
Nach Augenzeugenberichten soll die „Phantom“ über dem Dorf gewackelt haben und extrem niedrig geflogen sein. 900 Meter südwestlich vom Ortskern entfernt war die „Phantom“ im Ortsteil Niederthuine, in unmittelbarer Nähe der Messinger Straße, in der Luft explodiert. Für die beiden Piloten hatte es keine Möglichkeit mehr gegeben, sich mit dem Schleudersitz zu retten und sie kamen in den Trümmern des Flugzeugs ums Leben.
An der Absturzstelle auf dem frischgepflügten Acker und Teile eines Stoppelfeldes waren nur wenige größere Trümmerteile des Rumpfes, der Aggregate und der Tragflächen zu sehen. Eine Vielzahl kleinster Teilchen war im Umkreis von 200 Metern verstreut. Einen Aufschlagkrater hatte es nicht gegeben. Die alarmierten Freiwilligen Feuerwehren aus Thuine und Lingen mussten lediglich einige Teile der abgestürzten „Phantom“ ablöschen. Einheiten der Bundeswehr hatten die Absturzstelle hermetisch abgeriegelt. Die Messinger Straße war teilweise gesperrt.
Einer der drei Landwirte, deren Äcker von Flugzeugtrümmern übersät gewesen waren, ist Gerhard Lau. Er sagte damals: „Ich saß gerade auf meinem Trecker, als zwei Düsenjäger über unseren Hof flogen. Eine Maschine machte ein ungewöhnliches Geräusch, viel lauter als normal. Dann ging alles blitzschnell. Als ich zur Unglücksstelle kam, sah ich nur noch rauchende Trümmer. Nur gut, dass wir vor zwei Tagen die angrenzenden Felder vom Stroh geräumt haben. Sonst wäre es auch noch zu einer Brandkatastrophe gekommen.“
Einem Pfleger des Krankenhauses sei ein eigenartiges Flugzeuggeräusch aufgefallen. Ein Landwirt, der nur 150 Meter von der Unglücksstelle entfernt wohnt und der zum Zeitpunkt des Absturzes im Haus war, erklärte: „Ich habe unwahrscheinliches Glück gehabt, denn der Düsenjäger hätte auch unseren Hof treffen können.“ Ein Bauer will beobachtet haben, dass die nicht abgestützte Maschine noch einmal zurückgekehrt und nach einer Runde über der Unfallstelle davongeflogen sei.
20 Jahre nach dem Unglück war in der Nähe der Absturzstelle an der Mühlenstraße ein Gedenkstein zur Erinnerung an die beiden Piloten enthüllt worden. Die Gemeinde Thuine, Samtgemeinde Freren, der Heimatverein, das Thuiner Klosters und eine Abordnung des Jagdgeschwaders 72 aus Hopsten sowie viele Menschen aus dem Dorf nahmen daran teil. Joachim Eickhoff von der Vermissten-Suchgruppe „Ikarus“ erklärte damals, dass sich am 25. August 1977 gegen 11.44 Uhr zwei amerikanische Düsenjäger vom Typ „Phantom“ in niedriger Flughöhe dem Ort Thuine genähert hätten. Zeugenaussägen zufolge habe eine der beiden unbewaffneten Aufklärungsmaschinen gequalmt und „gewackelt“.
Wie Eickhoff betonte, wäre es in diesem Moment für die beiden Besatzungsmitglieder höchste Zeit gewesen, mit dem Schleudersitz das Flugzeug zu verlassen, um ihr Leben zu retten. „Sie haben in den dramatischen Sekunden diese letzte Gelegenheit nicht wahrgenommen, da das Flugzeug mitten in den Ort auf die Grundschule, das Krankenhaus oder Kloster zu stürzen drohte. Die beiden Piloten haben die Maschine noch über das Dorf gezogen und die außer Kontrolle geratene „Phantom“ nicht mehr verlassen können. Sie sind in den Trümmern ihres Düsenjägers ums Leben gekommen. Die zweite „Phantom“ ist wohlbehalten zum britischen Fliegerhorst „Alconbury“ zurückgekehrt.“
Eickhoff stellte heraus: „Die beinahe unausweichliche Katastrophe für Thuine war durch zwei tapfere Soldaten unter Einsatz ihres eigenen Lebens abgewendet worden.“ Ein älterer Thuiner sagte: „Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie die Maschine über mein Haus trudelte. Wenn sie im Dorf abgestürzt wäre, würden wir alle nicht mehr hier sein.“ Eickhoff hat die Kontakte zu den Angehörigen der beiden Piloten geknüpft und sie ausführlich über den Absturz sowie ihre Heldentat informiert.
Im Oktober 1997 legte der amerikanische Oberst Richard Kozik von den amerikanischen Luftstreitkräften, stationiert in Ramstein (Rheinland-Pfalz), dem“ USAF-Hauptquartier für Europa, einen Kranz an dem Gedenkstein in Thuine nieder. Unter Anteilnahme der Bevölkerung gedacht er Oberst der am 25. August 1977 wegen Triebwerkschadens abgestürzten Phantom-Besatzung Captain Ken Seder und Captain Alan Frederick Aertker (er war Postum befördert worden).
Kozik betonte damals, dass die beiden Piloten, obwohl es sie ihr Leben gekostet habe, die richtige Entscheidung getroffen und ihre „Phantom“ mit letzter Mühe über das Dorf geflogen hätten. Die Maschine hätten sie dann aber nicht mehr mit dem Schleudersitz verlassen können und seien umgekommen. Der Oberst betonte, dass es für ihn eine Ehre sei, in Thuine zu sein. Er dankte der Bevölkerung für die Errichtung des Gedenksteins.
1998 nahmen Angehörige der beiden Piloten an der Gedenkstunde am Gedenkstein in Thuine teil. Sie bedankten sich persönlich für das Engagement von Joachim Eickhoff sowie der zivilen und kirchlichen Vertreter von Thuine.