Kirche ohne Seitenwände, aber mit viel Geschichte

Artikel vom 2. September 2019 Kirchenbau zwischen Reformation und modernem Kirchenbild – Führung mit  Orgelmusik

 Lünne- Die Pfarreiengemeinschaft Spelle umfasst vier katholische Kirchengemeinden mit etwa 8700 Katholiken. Die älteste Kirche ist die St.-Vitus-Kirche in Lünne, die am Sonntag, 08.09.2019, um 15:00 Uhr im Rahmen der ökumenischen Veranstaltungsreihe „Kirche des Monats“ vorgestellt wird.

Mitglieder des Heimatvereins Lünne werden gemeinsam mit Pastoralreferent Dominik Witte geistlich-historisch die Kirche und die wechselvolle Geschichte der Urkirchengemeinde vorstellen, aus der erst Jahrhunderte später die Kirchengemeinden Spelle und Venhaus hervorgingen.

Alten Augenzeugenberichten zufolge missionierte der Heilige Ludgerus um 800 und gründete die Lünner Kirchengemeinde, die schon um 855 den Heiligen Vitus (gestorben um 304) als Patron auswählte. Die erste romanische Kirche stand in Altenlünne und wechselte 1420 etwa 1,5 km südlicher nach Plantlünne, wo das heutige Zentrum Lünnes ist. Dort wurde sie vor rund 600 Jahren an einen bereits bestehenden profanen Glockenturm angebaut, der erst 1859/60 durch einen neuen Kirchturm ersetzt wurde. Aus dem 15. Jahrhundert stammen die Sakramentsnische im Altarraum, die noch heute mit ihrem Tabernakel genutzt wird, und ein Handwaschbecken unter der Orgelempore.

1523 wurde eine neue, schönere Kirche gebaut, die im Wesentlichen noch im Grundriss der heutigen Kirche erkennbar ist. Durch die Reformation wechselte mehrfach der Anspruch auf die Kirche und die Katholiken durften offiziell keine Heilige Messe feiern. Statt in der Pfarrkirche wurde in provisorischen Scheunen und Notkirchen im Ortsteil Varenrode während mehrerer oranisch-niederländischen Besatzungszeiten Gottesdienst gefeiert. Am Ende blieb die St.-Vitus-Kirche im Besitz und in der Nutzung der Katholiken.

Verschiedene Fundstücke vom Lünner Wachturm und den Grabsteinen der Adeligen von Venhaus fügen sich als Zeugen der Geschichte im rückwärtigen Teil der Kirche in die Wände ein.1975 wurden beidseitig die Seitenwände in Spitzbogenform durchbrochen und jeweils ein Flügel angebaut, um Sitzplätze für 450 Menschen zu schaffen. Der Anbau hat von Außen eine Betonoptik. Innen sieht man die Klinkersteine, die das Haus Gottes fast profan wie ein Wohnhaus erscheinen lassen. Ob man das heute noch genauso machte und die Seitenwände des klassischen Baus entfernen würde, stellt Witte in Frage. Aber durch die Erweiterung der Kirche ergibt sich ein Grundriss, der den Gemeinschaftsgedanken (Communio) des Zweiten Vatikanischen Konzils durch die halbkreisförmige Bankordnung umsetzt.

Der heutige Altar aus Ibbenbürener Sandstein zeichnet sich durch die drei Schlagworte Glaube, Versöhnung, Friede aus, die durch die damalige Zeitgeschichte des Kalten Kriegs beeinflusst aufgebracht wurden. Aus dem 19. Jahrhundert ist noch der Taufbrunnen von Bildhauer Heinrich Seling vorhanden, der in der Apsis hinter dem Altar steht. Das große Christuskönig-Kreuz, das vom Bildhauer Wilhelm Böring geschaffen wurde, thront herrschaftlich und ohne Schmerzensanzeichen seit 1978 über dem Altar. Schaut man von zentraler Position auf das Kreuz, hängt es mittig vor dem einzig gegenständlich gestalteten Fenster des Lünner Glasbaukünstlers Volker Vissmann, das mit seiner Lamm-Darstellung seit 2010 das auffälligste Element des Altarraums ist. Bemerkenswert ist die seitliche Reliquiennische im Altarraum, die die sichtbaren Reliquien vom Heilgen Vitus enthalten soll.

Die traditionelle Gemeinde Lünne fühlt sich der Gottesmutter Maria verbunden. Eine Marienfigur als Himmelkönigin fertigte Heinrich Weltring. Er hat 1884 auch den wertvollen hölzernen Krippenblock geschaffen, der bis heute Teil der Weihnachtskrippe in der Kirche ist. Die Schmerzensmutter (Pieta) in der Marienkapelle im Turm ist ein Werk vom Rheiner Künstler Joseph Krautwald (1953).

Erst 1990 kaufte die Kirchengemeinde den Kreuzweg eines niederländischen Künstlers, der die einzelnen Stationen der Leidensgeschichte Jesu mit Ölfarbe dargestellt hat.

1992 wurde von der Orgelbaufirma Siegfried Sauer eine kräftig klingende Orgel aufgestellt, die seiner Zeit zu den besten Instrumenten des Bistums zählte. Regionalkirchenmusiker Balthasar Baumgartner wird das Instrument am Sonntag facettenreich zum Klingen bringen.

Gleichzeitig ist am Sonntag auch das Haus Schmeing geöffnet, da der 08.09. der Tag des offenen Denkmals ist. Dort ist neben der Dauerausstellung zurzeit die Geschichte des historischen Müllerhauses am Mühlenkolk zu besichtigen. In jedem Fall lohnt sich für alle musikalisch oder historisch Interessierten der Besuch in Lünne, der mit einem Kaffee enden kann.

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