Artikel vom 28. März 2018 Lingen. Der Lingener Ehrenbürger Bernard Grünberg hat in der letzten Woche seinen 95. Geburtstag in seiner Geburtsstadt Lingen gefeiert. Rund 60 Gäste aus Politik und Verwaltung, Wegbegleiter und Freunde des Engländers waren der Einladung der Stadt Lingen in den Saal Klaas-Schaper gefolgt. „Ich komme zurück in meine Geburtsstadt, meine Heimatsstadt hat man mir abgenommen, doch ich habe neue Freunde in Lingen gefunden. Es ist eine große Ehre für mich, dass man mich hier so empfängt“, erklärte Bernard Grünberg und bedankte sich bei den vielen Gästen mit seinen drei Schlüsselbegriffen: „Versöhnung, Toleranz und Bildung – wenn alle sich daran halten würden, dann hätten wir Schritt für Schritt mehr Frieden auf der Welt“, so Bernard Grünberg. Es sei dumm zu glauben, dass man den Frieden mit Waffen erreichen könne. „Ich habe tausenden von Schülern meinem Lebenslauf erzählt und hoffe nun einfach, dass die nächste Generation lernt, dass der Holocaust sich nie wieder wiederholen darf.“
Zu den Gästen in Lingen zählten auch Karen van Coevarden und Leonie Edgell, die am Holocaust-Center Beth Shalom tätig sind. Zudem war der BBC-Reporter James Roberson angereist, um von dem Besuch Grünbergs in Lingen zu berichten. Als einer der letzten Verwandten konnte Ruth Grünberg dem Geburtstagskind gratulieren. „Deine Eltern und Schwestern wären sehr stolz auf dich, wenn sie dich sehen könnten“, sagte Ruth Grünberg. Ulla Haar überbrachte als Kreistagsvorsitzende zugleich auch die guten Wünsche des Landkreises Emsland. Oberbürgermeister Dieter Krone zeigt sich sehr beeindruckt von den mahnenden Worten Grünbergs. „Ich habe in den letzten Tagen viel über die drei Begriffe nachgedacht“, so das Stadtoberhaupt. „Ihr scharfsinniger Humor, ihr Selbstbewusstsein und ihre zugleich lausbübische Art zeichnen sie auch. Aber zugleich ist da auch diese traurige Seite an ihnen, der sie die Denunzierung der Juden am eigenen Leib erfahren und nur dank der klugen Vorausschau ihrer Eltern als einziges Familienmitglied den Holocaust überlebt haben.“ In seiner Rede blickte Dieter Krone auf das Leben Grünbergs zurück. „Ihre Geschichte ist auf besonders tragische Weise mit der Geschichte Lingens und Deutschlands verwoben“, so das Stadtoberhaupt.
Bernhard Grünberg, seine Eltern Bendix und Marianne sowie seine Schwester Gerda Grünberg gehörten zu den 40 jüdischen Einwohnern, die 1933 in Lingen wohnten. 1938 wurde Bernhard Grünberg mit einem der Kindertransporte nach England geschickt und überlebte als einziger seiner Familie den Holocaust. Erst 50 Jahre später erfuhren Lingener, dass Bernhard Grünberg noch lebte. Der damalige Stadtdirektor Karl-Heinz Vehring lud ihn daraufhin das erste Mal nach Lingen ein. Diesem Besuch folgten seit 1986 viele weitere. 38 Mal habe Bernard Grünberg Lingen besucht, 43 Mal davon mit dem eigenen Auto. In mehreren hundert Schulen habe Bernard Grünberg aus seinem Leben erzählt. „Doch das alles sind nur Zahlen. Dass sie nach all ihren unvorstellbaren Erfahrungen im Jahr 1985 überhaupt die Hand ihrer Geburtsstadt ergriffen haben, zeugt von einer Größe und einer fast übermenschlichen Bereitschaft – nicht zum Vergessen, denn Ihre Lebensgeschichte könnte kein Mensch vergessen – sondern von einer Bereitschaft zum Verzeihen und Vergeben, die bei allen, die Sie kennen, höchste Hochachtung und Demut bewirkt“, erklärte Oberbürgermeister Dieter Krone.
So habe Bernard Grünberg 1993 die Lingener Ehrenbürgerschaft angenommen und 1998 den „Lern- und Gedenkort Jüdische Schule mit eingeweiht. Seit 2000 ziere ein von ihm geschmiedetes Tor den Eingang zur Jüdischen Schule. 2013 wurde im Emsauenpark eine nach ihm benannte Straße eingeweiht, was für Bernard Grünberg nach den eigenen Worten eine sehr große Bedeutung habe. Er freue sich schon jetzt auf den 100. Geburtstag. „Sie sind für uns alle ein großes Vorbild – für die Menschen in dieser Stadt und auf der ganzen Welt“, so Dieter Krone abschließend. Bernard Grünberg selbst erklärte, dass er gerne noch 100 Jahre alt werden wolle. „Alles weitere ist mir dann egal, aber in fünf Jahren möchte ich gerne noch einmal mit ihnen allen feiern.“