Partei DIB zieht sich aus Spelle zurück

Artikel vom 8. Januar 2025  

 Brief zum Rücktritt von Johannes Hoffrogge an die Samtgemeinde Spelle

Sehr geehrter Herr Samtgemeindebürgermeister, lieber Matthias

Sehr geehrte Ratskolleginnen uns Kollegen, liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger

Ich, Johannes Hoffrogge, werde mit sofortiger Wirkung von allen meinen politischen Positionen in den Räten der Gemeinde und der Samtgemeinde Spelle zurücktreten.

 

Gleiches gilt für Helmut Roling, der darüber selbst informieren wird.

Wir werden uns auch als Kreisverband „Demokratie in Bewegung“ komplett zurückziehen.

Nach Rücksprache mit den weiteren Listenplatz-Kandidaten wird auch von diesen niemand nachrücken, sodass bis zum Ende der laufenden Legislatur die Ratsmandate der DiB unbesetzt bleiben werden.

Die meisten von euch kennen mich schon sehr lange. Ich bin jetzt seit über 18 Jahren politisch in den Räten konstruktiv aktiv gewesen und habe mich stets bemüht das Beste für die Bürgerinnen und Bürgerund für die Kommune herauszuholen. Dabei habe ich mich nie  gescheut, meine Meinung klar zum Ausdruck zu bringen

Natürlich habe ich mir diesen Schritt nicht leicht gemacht. Mir ist es wichtig im Folgenden meine Beweggründe zu erläutern. Bevor es nachher zu kurz kommt, möchte  ich mich aber vorher ausdrücklich bedanken:

● Ganz besonders bei meiner Frau Christiane, die meine vielen komplexen Ideen und Veränderungen immer stark mitgetragen hat 

● Bei Helmut Roling, den ich darin bewundere, die Verbundenheit zwischen Mensch und Umwelt stets in sich beherbergt zu haben und seine Überzeugung auch offen vertreten zu haben

● Bei allen in Verwaltung und Räten, die sich haupt- und ehrenamtlich bemühen das beste für den Ort und die Bürgerinnen und Bürger herauszuholen, gefreut haben wir uns über einige, die uns offen und konstruktiv begegnet sind

● Und natürlich bei allen, die an uns geglaubt und uns ihre Stimme und ihre Unterstützung gegeben haben. Warum also lege ich meine Ämter nieder? Es gibt drei maßgebliche Gründe:

Erstens widerstrebt es mir, dass in unserem politischen Diskurs und Handeln wirtschaftliche und finanzielle Faktoren immer deutlichen Vorrang vor ökologischen und sozialen Aspekten haben. Ich bin überzeugt davon, dass eine gute wirtschaftliche

Entwicklung und eine positive, wertschätzende Gesellschaft nur in Verbindung mit einer intakten Ökologie möglich sind.

Wir handeln hier in Spelle aber mehrheitlich genau entgegengesetzt, zum Beispiel hinsichtlich Flächenverbrauch, Landwirtschaft, Erhaltung und Wiederherstellung von Natur, gesellschaftlicher Teilhabe und Beteiligung.

Ich sehe in diesem Punkt nach so vielen Jahren kommunalpolitischem Engagement keine wesentliche Veränderung und ziehe nun für mich die Konsequenz.

Zweitens ist für mich ein Punkt erreicht, an dem ich die mit dem „gegen den Strom schwimmen“ verbundene gesellschaftliche Ausgrenzung für mich und meine Familie nicht mehr ertrage. Die vergangenen Jahre waren für uns nicht einfach. Meine Entwicklung von der CDU, über das UBS zur DiB war sicherlich unkonventionell.

Trotzdem habe ich völlig unterschätzt, zu welchen teils heftigen aktiven und auch passiven, abwehrenden Reaktionen meine immer konstruktiv beabsichtigten Handlungen und Kommunikationen geführt haben.

Man könnte schon meinen, wir hätten mit DiB die AfD oder eine andere extremistische Partei hier in Spelle gestartet.

Dabei sind wir auf überzeugtem demokratischen Fundament für konstruktive, wenn auch sicherlich teils radikal neue oder andere Ideen und Lösungsansätze eingetreten.

Auch wenn ich sehr froh und dankbar bin mit knapp 10 % ein gutes Wählervotum erhalten zu haben und persönlich sogar noch eine breitere Zustimmung als vorher in der CDU, habe ich mich wohl mit meinen konsequenten Ansätzen Mensch, Dorfgemeinschaft, Tier und Umwelt nicht zu überfordern und Bürgerbeteiligung deutlich zu verstärken, soweit vom dörflichen Lager entfernt, dass ich für meine Einbringungen keine öffentliche Rückendeckung erhielt. Für mich steht der Entschluss fest: Ich kann und will auf dieser politischen Bühne so nicht mehr kämpfen.

Und drittens, möchte ich zukünftig mit Freude und Zuversicht mein eigenes Umfeld stärken und mich für die aus meiner Sicht notwendigen Veränderungen in einem anderen Rahmen außerhalb der Kommunalpolitik einzusetzen und so z.B. den Menschen mit dem Nahrungswald gute ganzheitliche Angebote zu machen. So möchte ich auch für mich wieder mehr Leichtigkeit gewinnen und gleichzeitig voll Freude und sinnvoll in meinem Wirkungskreis die kommenden Herausforderungen für viele Menschen als vielfältige Chance greifbar machen. 

Diese drei Erkenntnisse bringen mich dazu, meine Energie für mich zukünftig sinnvoller einzusetzen. Natürlich gehört für mich auch selbstkritisch dazu, dass meine Art, meine Blickwinkel einzubringen, mitunter auch belehrend gewirkt haben mag. Meine Art der Kommunikation steigerte sich in dem Maße, wie ich immer stärker bemerkte, dass auf sehr vielen Ebenen nur oberflächlich gehandelt wird. Für mich ist es wichtig, dass Angelegenheiten ursächlich angegangen und geklärt werden.

Ich mache niemandem einen Vorwurf, möchte aber klar und deutlich meine Gründe und meine Perspektive benennen, wie ich es immer versucht habe zu tun.

Ich möchte aber auch darum bitten, die Menschen, die wirklich etwas Konstruktives tun wollen, nicht alleine zu lassen. Wenn Menschen ernsthaft etwas konstruktives und zukunftsweisendes verändern wollen, wo notwendige Maßnahmen sicherlich fortlaufend anstrengender werden, gerade weil man lange nicht an der Basis gearbeitet hat, haben sie es sehr schwer.

Ernste Themen werden im öffentlichen Diskurs zunehmend zum Tabu-Thema. Wir müssen hier viel mehr und mit mehr Offenheit und Leichtigkeit miteinander sprechen. Dann wissen wir wieder mehr voneinander und haben eine Chance zu verstehen, welche Motivation den anderen, auch außerhalb unseres Dunstkreises, jeweils antreibt.

Wenn Menschen in politischer Verantwortung hier keine basisorientierte Kommunikation ernsthaft aufbauen, verbreiten sich die Ängste der Abgehängten und Verständnislosen im Hintergrund und es gibt immer genügend einfache Antworten auf komplexe Herausforderungen.

So wird es auf diese Nachricht von mir und uns sehr unterschiedliche Meinungen geben von Menschen, die uns und unsere Motivation richtig kennen und von denen, die rein aus ihrer eigenen Perspektive bewerten. Nur wenn jeder sich trauen kann, seine Ängste, Sorgen, Hoffnungen und Erwartungen offen aussprechen zu können, kann ein breit getragenes, stabiles Gefüge entstehen.

Aus den drei genannten Gründen heraus, möchte ich einige eigene Erkenntnisse formulieren, die ich mir für die Zukunft für uns als Gesellschaft und im politischen Betrieb nicht nur vor Ort wünsche:

Wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand, also Sicherheit und materiell mindestens für alle ausreichende Versorgung, können nur sinnvoll stattfinden, wenn die Ökologie intakt ist. Jeder, der krank ist und deswegen nur schwerlich arbeiten kann, erfährt dieses  im Kleinen. Die natürlichen Ressourcen, die wir heute dafür nutzen, sind untrennbar mit uns Menschen verbunden. Der Erhalt und die Wiederherstellung von Natur sind daher gleichzusetzen mit dem Erhalt der menschlichen Lebensgrundlagen. Dies ist eine grundlegende Notwendigkeit, von der ich mir wünsche, dass mehr Menschen in Verantwortung sie erkennen und ihrem Handeln zugrunde legen.

Mir kommt es vor, als spielten wir endlos Monopoly, teils aktiv teils passiv, und hätten nicht gemerkt, dass das Spiel schon so lange andauert und dass es sehr schädliche Strukturen angenommen hat. So wie es in diesem Spiel nur um einseitigen Wettkampf  geht, hat man sich in ganz Deutschland schlicht nicht um eine stabile Basis gekümmert.

Exportweltmeister zu sein und sich einseitig auf wirtschaftliches Wachstum zu fokussieren war wichtiger als systemrelevante Infrastruktur wie schnelles Internet, intakte Brücken, eine funktionierende Bahn, stabile und wertschätzende  Beschäftigungsmöglichkeiten in Ernährung, Pflege und vielen mehr oder ein stabiles gesellschaftliches Gefüge stärker in den Blick zu nehmen.

Wir leben aus meiner Sicht in einer zwanghaften Hochleistungsgesellschaft, wo Abhängigkeiten und Überforderungen wie eine Kaskade schon unsere Kinder teils schwerwiegend beeinflussen und die Zahl der psychischen Belastungen insgesamt und besonders auch die Zahl sogenannter verhaltensauffälliger oder psychisch kranker Kinder permanent steigt, was für mich absolut besorgniserregend ist. Es sind aus meiner Sicht Symptome eines Systems, das aus den Fugen gerät.

Ich wünsche mir, dass mehr Menschen zwischen Symptomen und Ursachen unterscheiden lernen und wir endlich über die dringend notwendigen ursächlichen Veränderungen streiten, anstatt mit destruktiver Kommunikation uns Menschen gegenseitig auszuspielen – sei es bei Hartz IV oder dem Bürgergeld, bei Migranten oder beim Festhalten an Altbewährtem um scheinbar jeden Preis, nur um Chancen für echte Transformation (siehe Elektromobilität, Solar- und Windindustrie oder Wärmewende) zu verpassen.

Unsere Geschichte beginnt doch nicht im puren Wohlstand, schon gar nicht für alle, von denen jetzt alle „abgeben müssen“. Zur Geschichte gehört eben auch dazu, dass die bisherige Marschroute vieler Jahrzehnte viele Auswirkungen nicht vorhersehen konnte.

Wo ist die Dankbarkeit und das Verständnis dafür, dass das, was wir jetzt zu verteidigen versuchen, uns nicht einfach zusteht, sondern auch Teil von oberflächlicher Betrachtung ist.

Erschrocken bin ich darüber, dass die oberflächliche rein wirtschaftlich orientierte Politik der letzten Jahrzehnte, die offenkundig auf allen Ebenen nicht zu Stabilität und Unabhängigkeit geführt hat, jetzt wieder im Fokus des anlaufenden Bundestagswahlkampfs steht. Soll die Möglichkeit für eine gute Zukunft unserer Kinder immer weiter durch unsere kurzfristigen Sorgen und Nöte gefährdet werden? Sind wir als deutsche Gesellschaft in Summe wirklich so arm, schwach, mutlos und alternativlos, uns nicht wieder auf wirklich Notwendiges besinnen zu können? Die Lage ist für viele doch nur sehr überfordernd, weil jede*r sich um seine eingefahrenen Sorgen allein zu kümmern hat, ohne seine wahren Fähigkeiten entfalten zu können.

Und trotz des großen Reichtums unseres Landes und dieser mehr als dreifachen Übernutzung eigener Ressourcen im viertreichsten Land der Erde, trotz der immer deutlicher werdenden ökologischen und gesellschaftlichen Veränderungen mit stärkerer Abgrenzung und Lagerbildung mit immer massiver werdenden Migrationen, scheint der eingeschlagene leistungsorientierte Weg für viele unausweichlich.

Mit einfließen lassen in komplexe regionale Lösungen sollte man eben auch die Erkenntnis, dass selbst ganze Industrien, wie die tragende deutsche Automobilindustrie mit politisch starkem Einfluss, nicht in der Lage war, sich strategisch auf die Zukunft vorzubereiten. Wenn man sich jetzt nicht die ehrlichen Fragen stellt, um hier die Ursachen zu ergründen, wäre man sehr fahrlässig.

Zudem erleben wir gerade mit der energetischen Versorgung und der notwendigen Ökologisierung vieler Bereiche nur einen Teil von notwendigen Transformationsprozessen. Mit fortschreitender Digitalisierung, demographischer Entwicklung, KI und anderen Entwicklungen werden die Arbeitsmärkte fortlaufend überworfen. So macht es keinen Sinn, die jeweils aktuelle Tätigkeit um ihrer selbst Willen maximal zu verteidigen, sondern eine Ermöglichung der Einbringung möglichst vielseitiger und flexibler Fähigkeiten anzustreben.

Den ökologischen und geopolitischen Verwerfungen, wird man für viele Bereiche einzig mit regionaler Stabilisierung durch  stärkere wirtschaftliche Kooperationen und der Schaffung gemeinschaftlicher Barrierefreiheit begegnen können.

Bricht man diese Erkenntnis herunter auf uns in Spelle, dann dürfen wir – zumal als eine der finanzkräftigsten Kommunen weit und breit – uns nicht mehr anhaltend auf wirtschaftliche Aspekte fokussieren, sondern viel mehr Augenmerk auf die Ökologie als Stabilitätsanker für uns und zukünftige Generationen legen. Der aktuelle Weg schadet der Kommune und den Bürgerinnen und Bürger langfristig nach meiner Überzeugung.

Ich wünsche mir, dass mehr Menschen hier vor Ort dies erkennen.

Ich wollte nie in die Steinzeit zurück, hatte nie etwas gegen irgendeine Firma und gönnte jedem einen wertschätzenden Wohnsitz, bin aber überzeugt davon, sich nicht mit gewohnten Handlungen auf die kommenden Transformationen vorbereiten zu können.

Aus wirtschaftlichen Einzelinteressen wird noch lange kein stabiles System, das sollten uns, meiner Meinung nach, die aktuellen Verwerfungen am Arbeitsmarkt aufzeigen.

Für mich ist Politik als Rahmengesetzgebung bei all diesen inneren und äußeren Konflikten, in kurzfristiger Rückkopplung, kreisend um die eigene kleine Welt, in der heutigen Zeit nicht in der Lage hier grundlegende Veränderungen herbeizuführen.

Ich würde mir daher für eine strategische Entwicklung in Stabilität und Gemeinwohl einen offeneren Umgang mit unterschiedlichen Blickwinkeln wünschen und den Versuch, die Motivation anderer Blickwinkel zu verstehen, um wirklich vielfältig und komplex miteinander die besten Lösungen zu erarbeiten.

Danke für eure Aufmerksamkeit. Vielleicht bewirken meine Worte bei dem ein oder anderen ein Umdenken, Neudenken oder Andersdenken. Für die Zukunft wünsche ich mir gutes Gelingen und eine offene, konstruktive politische Kultur, die es heute mehr denn je braucht.

Johannes Hoffrogge

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