Bad Bentheim: Seit sechs Monaten ist Jacqueline Oing als Verfahrenslotsin für den Landkreis Grafschaft Bentheim tätig. Die Einführung einer solchen Stelle ist seit diesem Jahr deutschlandweit für alle Jugendämter verpflichtend. Die Handlungsschwerpunkte variieren aber von Kommune zu Kommune. „Der Fokus meiner Arbeit liegt darauf, die inklusive Jugendhilfe der Grafschafter Kreisverwaltung federführend mitzugestalten. Dahinter verbirgt sich, dass die Zuständigkeiten für die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre zusammengelegt werden müssen. So, wie es das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz vorsieht. Zusammen mit einer Kollegin habe ich für dieses Vorhaben die Projektleitung inne“, berichtet Oing. Die Eingliederungshilfe unterstützt Menschen mit Behinderungen, ein weitgehend selbstbestimmtes und unabhängiges Leben führen zu können. Dabei gibt es jedoch einen Knackpunkt: „Bislang sind für die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche je nach Art der Behinderung – körperlich, geistig oder seelisch – entweder die Sozialämter oder die Jugendämter zuständig. Das Wirrwarr der Zuständigkeiten soll nun vereinheitlicht werden“, so die Verfahrenslotsin.
Für mehr Lebensqualität von jungen Menschen mit Behinderungen und ihren Familien
Die Zusammenlegung der Zuständigkeiten muss laut Gesetz bis zum Jahr 2028 abgeschlossen sein. Da bei der Kreisverwaltung davon zwei Dezernate betroffen sind, stellt dieser Prozess für den Landkreis intern eine besondere Herausforderung dar. Vor der Verfahrenslotsin, die zuvor zwei Jahre im Pflegekinderdienst des Kreises beschäftigt war, liegt ein großes Aufgabenfeld. „Als Verfahrenslotsin begleitet Jacqueline Oing uns und trägt maßgeblich dazu bei, dass wir künftig Hilfen für junge Menschen aus einer Hand bieten können. Dies wird zu mehr Lebensqualität von jungen Menschen mit Behinderungen und ihren Familien führen“, ist die zuständige Kreisrätin Gunda Gülker-Alsmeier überzeugt.
Jacqueline Oing wirkt aber nicht nur verwaltungsintern. Als Verfahrenslotsin ist sie auch Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter bis zu 27 Jahren, die von einer Behinderung bedroht sind oder eine Behinderung haben, sowie für deren Sorgeberechtigte. Inhaltlich steht die Verfahrenslotsin ihnen bei allen Fragen rund um die Eingliederungshilfe und das Reha-Recht zur Seite. „Mit Blick auf das SGB VIII und SGB IX kann ich Betroffene sowohl bei der Antragstellung beraten und unterstützen, als auch im gesamten Verfahren begleiten. Ich hole Informationen ein, zeige mögliche Wege auf, erkläre Bescheide oder begleite bei Terminen. Wenn gewünscht, stelle ich den Kontakt zu den richtigen Ansprechpersonen bei verschiedenen Behörden und Leistungsträgern her“, erklärt Oing.
„Als Landkreis war uns schon immer wichtig, dass jede und jeder die Unterstützung erhält, die sie bzw. er benötigt. Uns ist allerdings auch bewusst: Die Beantragung der Leistungen kann komplex und zeitaufwendig sein. Im Bereich der Eingliederungshilfe können wir mit der Verfahrenslotsin nun gezielt junge Menschen mit Behinderungen und ihre Familien beraten, damit sie die Unterstützungsmöglichkeiten, die ihnen zustehen, einfacher und schneller in Anspruch nehmen können. Die Lotsin ist somit ein wichtiger Baustein, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in unserer Gesellschaft zu stärken“, macht Kreisrätin Gülker-Alsmeier deutlich.
Verfahrenslotsin als Anlaufstelle für betroffene Privatpersonen ebenso wie für Fachkräfte
Das Angebot der Verfahrenslotsin richtet sich jedoch nicht nur an Privatpersonen, sondern auch an Fachkräfte, die Beratungsbedarf haben oder die Klientinnen und Klienten betreuen, welche Jacqueline Oing unterstützen kann. In den vergangenen Monaten hat die Verfahrenslotsin bereits an unterschiedlichen Netzwerktreffen teilgenommen und Kontakt zu den unterschiedlichen Trägern der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe aufgenommen, um auf ihr Angebot aufmerksam zu machen.
Alle Kinder sollen die gleichen Chancen auf Unterstützung erhalten – Kind ist Kind
Wenn eine Beratung durch die Verfahrenslotsin gewünscht wird, läuft dies so flexibel wie möglich ab. „Das Gespräch kann in gewohnter Atmosphäre zu Hause oder bei mir im Büro stattfinden. Mein Angebot ist freiwillig, unabhängig und kostenlos. Die Beratung kann jederzeit beendet werden“, betont Oing. Wichtig ist ihr, dass Betroffene durch die Beratung künftig einfacher Zugang zu den Unterstützungsmöglichkeiten erhalten, die ihnen rechtlich zustehen und die sie benötigen: „Ich stehe zu 100 Prozent hinter der inklusiven Jugendhilfe. Die Idee, dass alle Kinder Hilfe aus einer Hand erhalten und die gleichen Chancen auf Unterstützung erhalten, kann ich nur unterstützen – Kind ist Kind“.
Bei Bedarf ist Jacqueline Oing telefonisch unter der Nummer 05921 96 1145 sowie per Mail unterjacqueline.oing@grafschaft.de erreichbar.
Kreisrätin Gunda Gülker-Alsmeier (rechts) und Harald Vrye, Leiter der Abteilung Bezirksübergreifende Dienste, umd Verfahrenslotsin Jacqueline Oing